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  27.01.2006
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  aspekte
 
 
 
"Und ich dachte, ich wär die Größte"
 
Ein Film über ein durch Doping ruiniertes Leben
 
Bei den olympischen Spielen 1980 holte sie mit der DDR-Nationalmannschaft die Silbermedaille im Volleyball. 25 Jahre und etliche Operationen später hat sie chronische Schmerzen. Ihr Körper ist vermännlicht. Katharina Bullin ist ein Doping-Opfer.
 
Anna Bernard
 
 
   In einem beeindruckenden Dokumentarfilm, der demnächst auf der Berlinale zu sehen ist, erzählt sie nur ihre Geschichte: "Und ich dachte, ich wär die Größte" (Regie: Marcus Welsch).
 
   Systematisches Doping
     Dass der Sieg teuer erkauft war, wurde ihr erst später klar. Als Hände und Nase wuchsen, der Körperbau sich veränderte und es vorkam, dass man sie für einen Mann hielt, als die Schmerzen zum Alltag wurden, da war klar: der gnadenlose Drill und das systematische Doping hatten sie kaputt gemacht. "Ich hab doch nicht geahnt,", sagt sie heute, "dass die sogar ins Essen etwas reinmachen. Dass in den Spritzen noch Nebenanteile sind, die ich nicht kenne, die nicht mal ausgetestet sind. Das heimlich zu tun und mich nie vor den Folgen für meine Gesundheit und mein ganzes Leben zu warnen, das ist die Hinterhältigkeit."
 
   Sport war für Katharina das ganze Leben. Das Team war ihre Familie, das Sportforum ihr Zuhause. Trotz knüppelharten Trainings. Den Ärzten und Trainern vertraute sie. Blind. Kamen ihr nie Zweifel? Doch. "Als wir einmal ein paar Barthaare bekamen, 1980, nach dem Spielen, da hatten wir vorher unheimlich viel Zeug bekommen, da fielen dann so ganz leise die ersten Worte. Die eine vom TSC hat mal gesagt: Was machen die mit uns? Oder sie hat mal geäußert, dass sie aufhören möchte. Und da fiel dieser Satz, der mir damals ein Messer war: Dann wirst du in Unehren entlassen. Wo hätte ich dann hingehen sollen?"
 
   Vom Sportlerleben ins Nichts
     Mit verletztem Fuß und kaputter Schulter, gedopt mit Anabolika, erkämpft Katharina unter schweren Schmerzen die Medaille - und wähnt sich auf ihrem sportlichen Höhepunkt. " Ich war natürlich wahnsinnig stolz. Eine olympische Medaille, das ist das höchste, was ein Sportler erreichen kann. Bis die dann die Hand geöffnet haben und die Ärzte sagten: Prothese und Verabschiedung vom Leistungssport. Und da stand ich dann. Eiskalte Dusche."
 
   Mit Zwanzig steht sie vor dem Nichts. Sie wird arbeitslos, fängt an zu trinken, leidet an Tablettensucht und schweren Eßstörungen. Sie fängt sich wieder, findet sogar einen Beruf, der ihr Spaß macht, eine Arbeit mit Behinderten. Dann muss sie aufhören, weil ihr Körper nicht mehr mitmacht: "Ich habe ja nicht nur Schulterschmerzen, ich habe ja nicht nur Knieschmerzen, die Wirbelsäule tut weh, der Hals brennt, nachts kann ich nicht schlafen, weil mir die Hände immer absterben. Das ist mein Alltag geworden. Es gibt Tage, da geht's mir nervlich dann wirklich schlecht."
 
   Kampf um Entschädigung und den Körper
      Bis heute kämpft Bullin um Entschädigung und um eine Rente. Sie ist wütend: "Die, die mich vollgedopt haben, sind jetzt in hohen Posten, haben die dicke Knete, und ich? Ich schlepp' mich von Monat zu Monat." Die Schuldigen leugnen bis heute. Aber Bullin gibt nicht auf. Jetzt sucht sie in den alten Akten nach Beweisen. Dafür, dass sie gedopt wurde. Dafür, dass andere ihr Leben verpfuscht haben.
 
   Im Film sieht man Bullin im Fitness-Studio. 1,80 m ist sie groß, ein Körperbau wie ein Mann, breite Schultern, starke Arme. Sie stemmt Gewichte. Mehr als jede andere Frau. Trotzdem. Auch wenn es nicht so aussieht: Bullin ist invalide. Und das Paradoxe ist: Gegen die Schmerzen hilft nur intensives Training - denn nur Muskeln können ihre kaputten Knochen entlasten.
 
   
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