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für diese Rezension der Judith-Hermann-Verfilmung "Nichts als Gespenster": (mirror) Nach der Trennung zum Bildungsurlaub nach Venedig oder zum Vögeln nach Island?
Gefühlsprobleme in den Zeiten der Billigfliegerei. Man kann ja mal gucken, ob man woanders nicht besser mit sich klarkommt - was dann aber natürlich auch nicht funktioniert, weil man sich selbst bekanntlich immer mitnimmt.
Ein talentiertes Ensemble junger Schauspieler spielt ein heutiges Ensemble immer irgendwie halbgarer, sich selbst unsicherer Gefühle. Ob sie das gut machen, ist gar nicht die Frage, die man sich dabei stellt; sie tun es.
In Ralf Westhoffs Film "Shoppen" sah man etwa Figuren, die noch während eines Speed Datings runterbeten konnten, was man da theoretisch alles durchschaut hat; Stichworte wie Konsum der Romantik, Bindungsangst, Ökonomie der Gefühle, Selbstunsicherheit in einer Gesellschaft des Wahlzwangs hatten sie drauf - und im nächsten Augenblick stürzten sie sich in die Suche nach dem großen privaten Glück, als hätten sie alle Stichworte wieder vergessen.
Und hier muss man wohl auch mal wieder seinen Standpunkt prüfen: Die Mittelschicht grenzt sozial Benachteiligte aus - Bildung ist ein Menschenrecht
Allenthalben werden die Selektionsstrategien verschärft durch
Qualitätssicherung und Output-Kontrollen. Leistungsvergleiche in den
Grundschulen haben nachweislich zu sehr viel mehr
Sonderschulüberweisungen geführt. Weder ist die Qualität des
integrativen Gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne
Behinderungen in den letzten Jahren verbessert noch die
Integrationsquote merklich ausgebaut worden, während die Schülerzahlen
in den Sonderschulen deutlich angestiegen sind. Alle Bundesländer haben
inzwischen ihr Sonderschulsystem zum Förderschulsystem umdeklariert und
behaupten damit wider besseres Wissen, behinderten und sozial
benachteiligten Kindern würden dort echte Zukunftschancen durch
kompensatorische und rehabilitative Maßnahmen eröffnet.
Tatsächlich
verweist die politische Verweigerung, aus den vielen guten Beispielen
und den empirischen Vergleichsstudien die richtigen Schlüsse zu ziehen,
auf gesellschaftliche Ursachen, die mit Teilen der heutigen
Mittelschichten verbunden sind. Im selektiven Schulsystem haben sich
dank der Bildungsexpansion - sprich: Öffnung der Gymnasien und
Einrichtung von Gesamtschulen auch für Arbeiterkinder - neue akademisch
geprägte Mittelschichten herausgebildet. Über ihren eigenen Aufstieg im
Fahrstuhl der Bildungsexpansion haben manche Absolventen mit
erfolgreicher gymnasialer Biografie offenbar diejenigen vergessen, die
der Fahrstuhl nicht mitgenommen hat.Wie in bildungssoziologischen
Studien nachgewiesen neigen sie dazu, ihren Erfolg sich selbst und der
eigenen Leistung zuzuschreiben. In der Logik dieses Denkens werden
gesellschaftliche Probleme individualisiert, und es gilt für sie im
Umkehrschluss, dass die Bildungsverlierer ihren Misserfolg und ihre
geringe Bildung selbst verschuldet haben. Für ihre eigenen Kinder
wünschen sich diese "Aufsteiger" das Abitur am
Gymnasium, weil es Erfolg und eine soziale Trennung von den
bildungsfernen Unterschichten sichert. Dieses Motiv verbindet sie
mit Teilen der traditionellen Mittelschicht und des Bildungsbürgertums.
In dem Maße, wie auch in die Mittelschichten die Angst vor
Prekarisierung eindringt, werden die Bildungsprivilegien, die das
Gymnasium für sie garantiert, noch stärker verteidigt.