Tino Sperlich

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DDR-Sehnsucht

Ein aufwühlender Artikel im Spiegel:(mirror):

Das Leben von Birger aus Mecklenburg taugt eigentlich zur gesamtdeutschen Erfolgsgeschichte: Die Mauer fällt, als der Junge zehn Jahre alt ist. Nach dem Abitur geht er nach Hamburg: Studium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre, Aufenthalte in Indien und Südafrika, dann die Festanstellung in einem Duisburger Unternehmen.

Trotzdem sitzt Birger an diesem Nachmittag in einem Hamburger Café und verteidigt den untergegangenen SED-Staat: "Die meisten DDR-Bürger hatten ein feines Leben", sagt er, und: "Ich denke keinesfalls, dass es hier besser ist." Mit "hier" meint er das wiedervereinigte Deutschland, das er fragwürdigen Vergleichen aussetzt: "Früher gab es die Stasi, heute sammelt Schäuble unsere Daten - oder die GEZ." Einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Diktatur und Freiheit sieht er nicht. "Die Menschen, die heute am Existenzminimum leben, die haben doch auch keine Reisefreiheit."

Wie kann ein 1978 Geborener so einen Mist verzapfen? Er übersieht geflissentlich die Freiheiten und Möglichkeiten, die er für gegeben nimmt und die ihm sein bequemes, modernes, weltoffenenes Leben eröffnen. Dieser kritisierten Staatsform, der offenen Gesellschaft hat er es zu verdanken, in der DDR hätte er womöglich nicht studieren dürfen oder können oder mit erheblichen persönlichen Einsatz wie 3 Jahren Wehrdienst. Und leider hat er wie so viele noch nicht den Wert von persönlicher Freiheit und Lebensplanung ohne staatliche Bevormundung schätzen gelernt, obwohl er ihn dahin gebracht hat, wo er heute steht. So reden sich Menschen die Diktatur schön, als würden Vorwürfe gegen den Staat auch ihre Lebensgeschichte in Frage stellen.

Viele Ostdeutsche begreifen jede Kritik am System als Angriff auf ihre eigene Person.
Ich befürchte, dass sich eine Mehrheit der Ostdeutschen nicht mit dem heutigen gesellschaftspolitischen System identifiziert. Es sind Wendeverlierer und Ewiggestrige, die sich zu Wort gemeldet haben, aber auch Menschen wie Thorsten Schön.