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Sonntag, Januar 08, 2012

Was ich nun besser verstehe

Miriam Meckel erklärt sehr schön, wann man einen Bundespräsident braucht - und wann eben nicht:

Vielleicht reicht die Idee des heutigen Berufspolitikers von seinen Aufgaben und Pflichten nicht mehr aus, um ein Amt auszufüllen, wie das des Bundespräsidenten einmal gedacht war. Vielleicht hat SPD-Chef Sigmar Gabriel das Problem auf den Punkt gebracht, als er stichelte, Wulff bringe nur "eine politische Laufbahn" mit, sein Gegenkandidat Gauck hingegen habe "ein Leben" vorzuweisen.
Nur ist das Amt des Bundespräsidenten ja eben keines der Berufspolitik, sondern eines, das nahezu über den drei Staatsgewalten schwebend betrachtet wird. ... Die Anforderungen an moralische Integrität, politische Autorität und Unabhängigkeit sind beim Bundespräsidenten hoch. Wären sie es nicht, bräuchten wir dieses Amt nicht mehr. ...
Christian Wulff fordert Respekt vor dem Amt ein und lässt diesen doch selbst vermissen. Er will nicht das Amt vor Beschädigung schützen, sondern das, was dieses Amt ihm und seiner Familie ermöglicht. Er ist der engagierteste Personenschützer in eigener Sache, den ein Bundespräsident jemals hatte. In dieser Hinsicht war das Fernsehinterview am Mittwochabend eine Selbstoffenbarung. ...
Christian Wulffs Umgang mit der Wahrheit ist ein taktischer. ...
Christian Wulff denkt das Amt als seine Errungenschaft, die er so schnell nicht aufgeben will. ... Seine Leidenschaft richtet sich auf die eigene Person, nicht auf das Amt. Damit das nicht noch offenkundiger wird, kann er nicht ,ich' sagen, wo es nötig wäre. "Man wird ein bisschen demütiger, man wird lebensklüger", mit solchen Sätzen spricht Wulff von sich in der dritten Person, so als ginge es gar nicht um ihn, sondern um irgendeinen bedauernswerten Menschen.

Ist es spießig, altmodisch oder weltfremd, sich einen Bundespräsidenten zu wünschen, der die Lernprozesse für das Amt vor Amtsantritt durchlaufen hat? Der als moralische Autorität gilt und zu wichtigen Fragen der Zeit Stellung nehmen kann ... ?
Der das Amt als Gabe und sich selbst als zeitlich begrenzten Amtsträger sieht? Wenn das spießig, altmodisch oder weltfremd ist, dann gilt das auch für Amt des Bundespräsidenten. Dann brauchen wir es nicht mehr.

Wenn nicht mal der erste Mann im Staate beispielgebend dafür ist, dass er nicht nur "von", sondern vor allem "für" die Politik, sprich das politische Wohlergehen eines Landes lebt, dann dürfen wir uns über die vielen anderen, die Amts- und persönliche Interessen locker vermischen, nicht wundern. Dann wird die politische Ich-AG zum Normalfall.

Erstellt von tixus um 7:25 PM Kategorien: Gesellschaft
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