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In der Zeit erklärt der Bildungsforscher Wilfried Bos einige Erkenntnisse aus der Iglu-Studie:
Bos: Es gibt dagegen kaum Studien über die Wirksamkeit von Fördermaßnahmen. So gibt es in Deutschland mit seinen 16 Bundesländern sage und schreibe 69 verschiedene Sprachförderprogramme – nur zwei davon wurden auf ihre Wirkung hin untersucht.
ZEIT: Was können wir vom Ausland lernen? Bos: Lassen wir die
Ostasiaten einmal außen vor...
ZEIT: Weshalb? Bos: In der
konfuzianischen Tradition ist der Gedanke tief verankert, dass den Weg
zum Aufstieg nur die Bildung öffnet. Wer etwa in China hoher Beamter
werden wollte, musste eine schwierige Staatsprüfung ablegen, da wurde
der Adel nicht bevorzugt. Das war schon vor 2.000 Jahren so. Bei uns ist
der Gedanke des Aufstiegs durch Bildung erst rund 150 Jahre alt.
Bos: Zudem wissen die meisten Lehrer hierzulande nicht, wie man
Bildungsstandards und Vergleichsarbeiten nutzt, um Schüler gezielt zu
fördern.
ZEIT: Kann man von den Lehrern nicht erwarten, dass sie
sich das notwendige Wissen selbst aneignen? Bos: Die Lehrerinnen und
Lehrer haben genug damit zu tun, den Unterricht vorzubereiten, sich um
die Kinder und Eltern zu kümmern. Da sehe ich die Politik schon in der
Bringschuld. .... Im Schulwesen hingegen werden laufend Reformen
beschlossen, aber es gibt keinen Mechanismus, sie planmäßig in den
Schulalltag zu tragen.
ZEIT: Lehrer fordern immer wieder, die Klassen zu verkleinern, um die Schüler besser zu fördern. Bos: Das ist leider die teuerste und wirkungsloseste Maßnahme. ... Die Klassengröße wirkt sich positiv auf die Schülerleistungen erst bei unter 16 Schülern pro Klasse aus, und negative Effekte messen wir ab 35 Schülern pro Klasse. ... Aber die Verkleinerung der Klassenfrequenzen ist wahnsinnig teuer. ... Wenn man dort die Klassenfrequenz etwa von 26 auf 24 Schüler senkte, dann kostete das 600 Millionen Euro pro Jahr!
Bos: Man könnte ... die Klassenfrequenzen moderat erhöhen und
stattdessen mehr Speziallehrkräfte bezahlen, die die Schüler
gezielt fördern.
ZEIT: Wie könnte das aussehen? Bos: Der
Klassenlehrer etwa macht den normalen Unterricht. Die zusätzliche
Lehrkraft, die mehrere Klassen betreut, holt mal die fünf schwächsten
Schüler zusammen, um sie speziell zu fördern, oder auch die fünf besten,
denen sie anspruchsvollere Aufgaben stellt. Für die Lehrer wäre dies
eine Entlastung.
Bos: Die Lehrer sind nicht schuld daran. In ihrer Prognose
berücksichtigen sie nicht nur die Leistung der Schüler, sondern
auch das Umfeld. Ein Arbeiterkind hat nicht unbedingt die nötige
Unterstützung in der Familie oder in der Schule, die es braucht, um am
Gymnasium zu bestehen. Da entscheiden die Lehrer ganz rational. ....
Wichtig wäre es zum Beispiel, mehr Ganztagsgymnasien einzurichten, die
ihre Schüler besser betreuen.
ZEIT: Ganztagsschulen führen
aber erstaunlicherweise ihre Schüler nicht zu besseren Leistungen.
Bos: Das ist deswegen nicht erstaunlich, weil es dort bislang kein
zusätzliches Lernangebot gibt. Man hat Milliarden investiert,
um Mensagebäude einzurichten, aber kaum einen Cent in zusätzlichen
Unterricht oder sinnvolle Ganztagsschulkonzepte.
Einige Zahlen dazu: