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Freitag, Dezember 07, 2007

Eva Herman

Debatte revised: Wie wohl leider viele haben wir auch Arbeit auch die Diskussion um E.H. mitverfolgt, aber das Zitat erst spät gelesen. Dazu unten mehr.

Als der Vorwurf der Verharmlosung bzw. des Lobs der Familienpolitik der Nazis im Raum stand, meinte ich erstmal, daß man sowas sagen dürfte wie Es war nicht alles schlecht, es gab auch Gutes und die Mutterrolle wurde besser bewertet. BEM meinte, daß man das nicht sagen kann, und nach einigem Nachdenken stimme ich dem zu: An Sozialleistungen, der Mutterrolle oder Betonung von Werten wie Familien zeigt sich eher deutlich, wie das Regime die Deutschen mit Sozialleistungen korrumpierte und eine direkte Ausnutzung betrieb. Götz Aly schrieb in der taz (mirror):

Götz Aly: Nein, doch er (Hitler) hat den Sozialstaat mit Schwung weiterentwickelt. Unsere Steuerklassen I bis IV etwa stammen aus der Reichsfinanzreform von 1934, auch das Ehegattensplitting oder die Kilometerpauschale, die Edmund Stoiber heute so mannhaft verteidigt. Sie wurde getreu dem "nationalsozialistischen Grundsatz" eingeführt, dass auch der deutsche Arbeiter die Möglichkeit haben sollte, im Grünen zu leben. Unsere Rentner sind erst seit 1941 Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse, vorher hatten sie sich an Wohltätigkeitsorganisationen zu wenden; einen Arztbesuch konnten sich die meisten bis dahin nicht leisten. Die Beispiele, wie die Sozialverfassung der Bundesrepublik en detail im Nationalsozialismus vorgeprägt wurde, lassen sich fast endlos aneinander reihen.
...
Sämtliche Bewältigungsideologien blenden über das soziale Appeasement hinweg: Den einfachen Leuten ging es im Nationalsozialismus gut. Sie haben gerne mitgemacht und vom Krieg profitiert.
...
Dass die Deutschen Opfer gebracht haben - namentlich im letzten Drittel des Krieges - steht außer Frage. Aber fragen Sie Ihre Großmutter einmal, wie viel Geld sie in den ersten Kriegsjahren zur Verfügung hatte, wie sie nach den Bombenangriffen versorgt wurde. Und fragen Sie sie, ob ihr Mann von der Front Päckchen schickte und was darin war. Mindestens bis 1942 - und außerhalb der Sowjetunion bis in das Jahr 1944 hinein - muss man sich den Wehrmachtsoldaten als bewaffneten Butterfahrer vorstellen. Wenn man die Frauen fragt, die sich an diese Jahre erinnern, dann erzählen sie fast immer das Eine: Im Krieg hat alles gut funktioniert, wir hatten genug, erst danach mussten wir hungern..

Eva Herman (Nachname verkürzt -r-n ...) hatte aber die Familienpolitik der Nazis nicht gelobt, und das läßt sich aus dem Originalzitat ablesen:

“Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch ‘ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien.Und wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen lernen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauffolgenden 68er Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68er wurde damals praktisch alles das alles, was wir an Werten hatten, es war ‘ne grausame Zeit, das war einvöllig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle, aber es ist damals eben auch das, wasgut war, und das sind Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben….“

Das ist sicher ungenau formuliert, ("Von einer intelligenten Moderatorin wie Frau Herman erwarte ich, dass sie sauberer formuliert.") aber dann doch kein Lob der Familienpolitik der Nazis. Die anderen Aussagen im Buch seien dahingestellt, aber wie auch in diesem Interview deutlich wird, hat sie es eben nicht verharmlost oder befürwortet:

Heinemann: Also für Sie ist der Nationalsozialismus eine Zeit, in dem der Wert der Mutterschaft und der Kinder eben missbraucht wurde und nicht etwa gefördert wurde?
Herman: Auf gar keinen Fall wurden sie gefördert. Es sollte vielleicht so erscheinen, aber in Wirklichkeit war das natürlich ein ganz perfides Spiel, um natürlich die Kinder auch zu verstaatlichen, so viele Kinder wie möglich zu bekommen. Ich erinnere dabei an die Einrichtung des Lebensborn, wo man die Kinder von den Müttern separiert hat und auf grausame Weise "versucht" hat, angeblich in der Psyche stark zu machen. Das Gegenteil ist natürlich der Fall gewesen. Es gibt einen berühmten alten Kinderarzt in München, Professor Hellbrügge, der damals diese Kinder, die nach dem Krieg aus dem Lebensborn geholt wurden, versuchte zu betreuen. Er hat dramatische Abhandlungen darüber geschrieben und die Folgen, die verheerenden Folgen aus dieser Zeit deutlich gemacht.

Und das ist das eigentliche Problem: Die Leute lesen nur noch die Dritt-Verwertung von Aussagen, obwohl viele Informationen zur Verfügung stehen, wird immer weniger genutzt - oder wieviele Medien liest DU? Ich nehme mich da nicht aus, selbst ein Mix aus Spiegel, Bild, taz, SZ, Zeit wird nicht immer ein genaues Bild geben - aber man sollte wachsam sein und ruhig selbst auf die Originale schauen.

Lustig bescheuert ist auch Margarethe Schrei in der Kerner-Sendung: (mirror)

Herman: Man darf über den Verlauf der deutschen Geschichte nicht sprechen, um nicht in Gefahr zu kommen.
(Diskussion, Zwischenrufe, vereinzelt Applaus im Publikum)
Schreinemakers: Das geht doch nicht. Entschuldige mal. Es geht nicht. Diese Ebene geht nicht. Da muss ich mich davon distanzieren, hier zu sitzen. Das ist unerträglich. Wir mögen dich, aber ich krieg erhöhten Puls. Sorry.

Und hier hat ein Liberaler ein großes Forum aufgemacht.

Erstellt von tixus um 7:02 PM Kategorien:
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