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Samstag, Februar 02, 2008

PRO und Contra

Jugendschützer ermitteln gegen die Sendung "Deutschland sucht den Superstar". Begründung: Menschen werden bloßgestellt. Muss man die Kandidaten nicht vor sich selbst schützen? (mirror)

Tja, keine soo leichte Diskussion, aber von beiden Argumenten stimmt eben die Mitte:

[PRO] Der 17-jährige Raymund wird nachts zu Hause von Fremden angerufen und von ihnen als Arschloch, Schwuchtel und Hackfresse beschimpft und ist daran selbst schuld? Er ist selbst schuld, dass im Internet Dutzende Videos kursieren, die seinen Auftritt zeigen: Wie er, vor Nervosität kaum in der Lage zu sprechen, vor die Jury tritt, eine schlechte Darbietung liefert, von Dieter Bohlen in gewohnter Manier beleidigt wird, weint, zusammenbricht, sich elend auf dem Boden windet?

[Contra] Neulich in der Berliner Philharmonie gab es einen kleinen Liederabend, geleitet von Thomas Quasthoff, Bassbariton und Professor für Gesang an der Hochschule "Hanns Eisler". Quasthoff lud dabei eine Reihe seiner jungen Schüler auf die Bühne ... streng ging Quasthoff denn auch mit den Vortragenden ins Gericht, coram publico und unumwunden: "Weißt du, wovon du da singst? Von der Liebe! Und die glaubt dir hier im Saal niemand, wenn du dabei so angestrengt deine Stirn in Falten legst!"

Beim zweiten Durchgang, ohne Stirnfalten, kam das Lied dann tatsächlich viel überzeugender, es war verblüffend. Das ist es also, was öffentliche Kritik bewirken kann, wenn sie ohne Häme vorgebracht wird und auf Verbesserung, nicht auf Vernichtung des Kritisierten zielt.

[PRO]Die "DSDS"-Vorcaster haben Raymund zur Jury geschickt im Wissen, dass er sich blamieren und damit Einschaltquoten bescheren wird. Die Macher der Sendung wussten ganz genau, was Raymund blühen würde. Und deshalb gilt: Sie tragen die volle Verantwortung - und damit auch die volle Schuld.

Was soll aber die Sendung denn sonst sein?Abwechslungsreich, unterhaltsam, das ganze Spektrum zeigen geht nur mit offensichlich untalentierten Kandidaten, den vorher niemand aus dem Bekannten- oder Freundeskreis die ehrliche Meinung gesagt hat. Oder wenn doch und sie wollten trotzdem ihre Chance - dann muß man damit wohl leben - und damit bin ich beim Contra-Argument:

[Contra] Die Veranstaltung unterschied sich, um es mal ganz deutlich zu machen, von "DSDS" wie ein hingehauchter Wangenkuss auf dem Schulhof von einem schnellen Fick auf dem Bahnhofsklo. Wobei aber nur der schnelle Fick mit Dieter Bohlen auf dem Bahnhofsklo immer wieder einen stolzen Marktanteil von fast 35 Prozent unter den "werberelevanten" Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren einfahren kann.

Jetzt haben auch die Schnellmerker vom Deutschen Kulturrat festgestellt: "Offensichtlich lässt man bei 'DSDS' vorsätzlich musikalisch unbegabte junge Menschen ins offene Messer laufen, um sie in der Öffentlichkeit bloßstellen zu können. Dies hat mit einem Talentwettbewerb nicht zu tun, sondern ist nur billiges Entertainment auf Kosten junger Menschen." Eben jenes billig produzierte Ins-Messer-laufen-Lassen ist die Geschäftsgrundlage der Show. Es ist, mehr noch, sogar die Mutter aller Geschäftsgrundlagen dieser sehr speziellen Branche, seit man im römischen Kolosseum zur Gaudi des Pöbels unbegabte junge Christenmenschen in die offenen Reißzähne hungriger Löwen hat laufen lassen. Vorsätzlich! Wer heute ... noch immer aus eigenem Antrieb in die Arena drängt, der hat es eben nicht besser verdient, der wird dann eben ... von Bohlen gefickt. Mag sein, dass die Betroffenen das überraschend unzärtlich finden und deshalb, buhuh, ein bisschen weinen müssen. Sie seien getröstet: Es soll Leute geben, die haben wirklich Probleme.

Erstellt von tixus um 8:01 PM Kategorien:
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