« IrfanView und Exif-Daten Lost & Regained | Main | Ägypten und so »

Donnerstag, Oktober 22, 2009

Zeit-Wissen

(c) Im arabischen Ausland wird man ja immer auch mit der verschleierten Frau und den damit verbunden Bewertungen konfrontiert. Besonders wird die Unterdrückung, Rechtlosigkeit und Rückständigkeit der Frau damit in Verbindung gebracht und ein Hohelied auf die westliche Stellung der Frau gesungen. Dieser Artikel zeigt, (mirror) dass die moderne westliche Gesetzgebung auch nach der Aufklärung noch sehr lange zum Status quo gebraucht hat und das viele Ansichten und Rechte noch keine 50 Jahre alt sind.

Wie sehr die Geschlechterhierarchie in der Adenauerzeit ein Ergebnis der Rechtsordnung war, zeigen die einschlägigen Paragrafen eindrücklich: Ehefrauen besaßen keine Verfügungsgewalt über ihr Vermögen. War keine Gütertrennung vereinbart worden, konnte der Mann mit dem Geld seiner Frau nach Gutdünken verfahren.

Wollte eine verheiratete Frau einem Beruf nachgehen, musste sie ihren Gatten um Erlaubnis fragen und ihm zusichern, dass sie ihre Hausfrauenpflichten nicht vernachlässigen würde. Tat sie es doch, konnte er ihr Arbeitsverhältnis gerichtlich beenden lassen.

Die Wirkung religiöser Wächter im Hintergrund und deren Moralpostulate sind auch heute noch durchaus gängig und Abwertungen selbstbewusster, eigenständiger Frauen äußern sich in Worten wie "Ein anständiges Mädchen tut das nicht." oder "Die ist ja mannstoll".

Widerstand kam vor allem vonseiten der katholischen Kirche, die sich als Hüterin der göttlichen Schöpfungsordnung sah. Sie berief sich auf die katholische Naturrechtsidee und wehrte alles »Moderne« als Bedrohung und Zeichen gesellschaftlichen Verfalls ab.

Die Ehe galt als einzig rechtmäßige Lebensgemeinschaft. Nur die Ehefrau und Mutter entsprach der sozialen Norm, nur eheliche Kinder bildeten die göttliche Schöpfungsordnung ab. Ledige Mütter waren hingegen eine soziale Bedrohung für die »natürliche« Ordnung, und es galt als gerechtfertigt, sie und ihre »Bastarde« der öffentlichen Schande auszusetzen, ihnen Rechte und Erbansprüche zu verweigern.

Ganz wild wird es dann bei der Veränderung der Mutterrolle: Die Vokablen "Rabenmutter" und "Schlüsselkinder" waren in aller Munde und auch, wenn es in den Nachwehen nicht so ernst wäre, lachhafte wie "ungesunde Intellektualität"

Ein Buch mit dem Titel Kinder erwerbstätiger Mütter rüttelte 1956 die Nation auf. Sein Autor, der Münchner Pädagoge Otto Speck, beklagte darin ein Heer von »Schlüsselkindern«, mindestens drei Millionen, die täglich ohne die Fürsorge ihrer Mutter sich selbst überlassen seien. Speck entfesselte eine heftige Polemik gegen berufstätige Mütter. Aus egoistischen Interessen, so diagnostizierte er, vernachlässigten sie die Familie, »einerlei ob es sich um eitle Vergnügungssucht, ungesunde Intellektualität, Geldgier, Koketterie oder sonstige Schwächen handelt«.

Und die irritierende Wirkung von allzuviel Nähe von Frauen auf Männer war ebenso sanktioniert:

Frauen durften auch nicht in staatlichen Orchestern spielen, denn sie könnten die Männer irritieren, so hieß es. Nur Harfenistinnen waren geduldet, da es wohl als unmännlich galt, die Harfe zu zupfen.

All dies ist wie im arabischen Raum dem Anspruch der Männer auf eigene Vorteile, Bequemlichkeit, Macht geschuldet - man soll also bitte nicht immer so tun, als wäre im Westen alles schon lange aufgeklärt und breit gesellschaftlich akzeptiert.

Aber es bleibt dabei: Wir können unser Verständnis von Freiheit und Gleichheit nur vorleben, andere Gesellschaften und ihrer Frauen und Männer müssen selbst dafür sorgen, dass sie sich Rechte und Macht erkämpfen.

Diese Ansichten, dass nur ein Schleier auch eine sichere Umgebung garantiert, sind hingegen rückschrittlich und wollen nur die aktuellen Machtverhältnisse zementieren.

Erstellt von tixus um 12:23 AM Kategorien:
Powered by
Thingamablog 1.1b6